November 23

Asynchron: Entropie von Matthias Grabo

Quinn ist in den Reaktor gefallen und das Leben im Kern könnte ohne Unterbrechung weitergehen – wenn sich die Gruppe nicht aufgespalten hätte in diejenigen, die unbedingt die Forschung vorantreiben wollen und diejenigen, die sich mit dem Leben in dieser Realität abgefunden haben. Eve hingegen arbeitet weiter daran, den Plan des mysteriösen Schwarzen Patrons umzusetzen. Aber was hat er wirklich vor?

Es kommen zwar keine neuen Hauptcharaktere hinzu, doch die bekannten zeigen überraschende Seiten von sich. Vor allem Eric und Kirsten verändern sich auf eine extreme, aber glaubhafte Art und überraschen immer wieder mit Entscheidungen, die mensch ihnen nach den ersten beiden Bänden nicht zugetraut hätte. Aber auch Quinn selbst wächst als Figur.

Die Handlung bleibt unvorhersehbar wie eh und je. Selbst, als mensch denkt, dass der Plan steht und nur noch ausgeführt werden muss, geht natürlich Einiges schief und Quinn muss improvisieren, um die Leute davon zu überzeugen, dass er doch nicht verrückt ist – was selbst wir als Leser:innen lange nicht wissen konnten. Mit Plottwists wird hier auf jeden Fall nicht gespart!

Aber nicht nur von den anderen Menschen geht Gefahr aus: Auch die Welt an der Oberfläche hat sich weiterentwickelt und wartet mit neuen Kreaturen auf, die menschliches Leben dort fast unmöglich machen. Auch diese verschiedenen Herausforderungen tragen zur spannenden Vielfalt dieses Buches bei. Dazu kommt der ständige Zeitdruck, unter dem die Charaktere ihrem Ziel entgegenhetzen müssen.

Entropie bietet genau, was ich von einem guten Finale erwarte: Die Rätsel, die in den ersten beiden Bänden aufgestellt worden sind, werden aufgelöst, es gibt zahlreiche Aha-Momente und trotzdem wird eine gute Mischung aus Erklärungen und Action getroffen, sodass es nie langweilig wird.

November 17

Flin, der Unsichtbare von Florian Clever

Nachdem sein Vater von Doran, dem sogenannten „Henker“ von Fürst Gernot ermordet worden ist, schwört Flin Rache. Eigentlich wollen er und seine Bande nur Nadelstiche versetzen und sich genug zum Überleben zusammenklauen, doch als sie eines schicksalhaften Tages Gernots Pläne durchkreuzen, gelangen sie ins Kreuzfeuer.

Fangen wir mal bei besagter Bande an: Ob es um den charismatischen Flin, den finderischen Raynor, den starken Aarn oder den magiebegabten Jasha geht, jeder dieser Protagonisten ist einzigartig und wächst einem schnell ans Herz. Auch Triana und Marcos, die nur Handel treiben wollten und unabsichtlich in eine Verschwörung reingezogen wurden, sind sympathisch und Erstere zeigt nach und nach, was in ihr steckt.

Die verschiedenen Überfälle und Pläne der Bande haben für mich neben den Figuren das Herzstück des Buches ausgemacht. Sie haben es immer wieder geschafft, mich und ihre Feinde zu überraschen und sich dabei mit List und Tücke so gegen die Übermacht aus Soldaten zur Wehr gesetzt, dass es unterhaltsam, aber nicht unrealistisch ist.

Vor allem den Wechsel zwischen traurigen Szenen, spannender Action und humorvollen Passagen, die mir immer wieder ein Schmunzeln abverlangen, wurde hier gemeistert – unterhaltsam bis zur letzten Seite! Und dann noch eine Warnung: Keine der Figuren ist hier vor den Gefahren gefeit!

Das erste Hindernis mögen sie überstanden haben, doch wie es sich für eine Dilogie gehört, steht eine noch größere Gefahr am Horizont. Die entdeckte Verschwörung und der Epilog, in dem auf zukünftige Kämpfe verwiesen wird, machen mich gespannt auf das weitere Schicksal der liebgewonnenen Bande.

November 14

Kriechzeug von Fred Ink

Auf der Suche nach einer Erlösung von seinem Fluch sucht Walter Dekker in einer alten Krypta nach einer mysteriösen Abschrift. Doch dabei stößt er auf ein viel tödlicheres Geheimnis, und ihm bleibt nicht viel Zeit, es zu lüften…

Im zweiten Band um den vom Pech verfolgen Privatdetektiv kommen alte Bekannte wie der Physiker George, die Kultistin Cynthia, der jähzornige Sheriff Dingby und ein aus Hinter den Winkeln bekannter pelziger Freund wieder vor, neue Figuren lassen sich jedoch auch blicken und sind ebenso liebens- und hassenswert. Jede Person hier verfolgt eigene und realistische Ziele und die Altbekannten zeigen auch neue und überraschende Seiten von sich.

Umso spannender wird es dann, um die Leben dieser Charaktere zu bangen, denn die Geschichte wirft einen direkt in die Action. Und die wird kontinuierlich gesteigert, immer wieder durchsetzt von schockierenden Wendungen. Es ist eine Hatz gegen die Zeit, und mensch fragt sich die ganze Zeit, wie lange sie noch durchhalten können.

Vor allem hat hier die Bedrohung im Vergleich zum ersten Band eine ganz andere Größenordnung und die Protagonist:innen werden mit einem kosmischen Grauen konfrontiert, das unaufhaltsam scheint. Unter anderem deswegen konnte ich dieses Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.

Obwohl ich schon am Vorgänger nichts auszusetzen hatte, hat mir dieser noch besser gefallen. Das liegt zum Teil sicher daran, dass mir die Charaktere durch die mit ihnen verbrachte Zeit mehr ans Herz gewachsen sind, zum anderen aber auch daran, dass hier so viel mehr auf dem Spiel steht.

November 7

Der Metropolist von Seth Fried

Seth Fried hat mich mit seinem Science Fiction-Roman mehrfach überrascht. Anfangs war ich skeptisch, vor allem, weil der Vergleich mit Pulp Fiction im Klappentext überhaupt nicht gerechtfertigt ist, und weil die humorvolle und flapsige Schreibweise eine Distanz zu den Figuren eröffnet, die die Lebensgefahr, der sie schnell ausgesetzt sind, weniger spannend erscheinen lässt.

Doch je mehr von der Handlung und den Charakteren enthüllt wird, desto interessanter wird es – Vor allem, wenn der regelkonforme Henry auf eine Gruppe trifft, die seine geliebte Behörde ins Visier nimmt und aufdeckt, dass sie alles andere als perfekt ist.

Und gerade durch den Humor kommen sich die beiden Protagonisten auch näher und wir erfahren mehr über ihr Innenleben, das bis zur letzten Seite immer weiter ausgearbeitet wird und sie beide trotz und wegen ihrer extremen Macken liebenswert erscheinen lässt.

Henrys Entscheidungen haben mich immer wieder überrascht und es ist wirklich unglaublich, welche Entwicklung seine Persönlichkeit in so wenigen Seiten durchmacht, ohne unglaubwürdig zu wirken.

Die Art und Weise, wie Henrys und OWENs Fähigkeiten genutzt werden, um der Wahrheit Stück für Stück näher zu kommen, ist gut gelungen und dadurch, dass Henry absolut kein Actionheld ist und OWEN die Welt nur indirekt über seine Projektionen beeinflussen kann, wird es umso spannender.

Dazu kommt, dass das Buch eine überraschende Tiefe aufweist. Es werden Probleme wie Rassismus, Sexismus und Gentrifizierung angesprochen und nicht einfach aus der Welt geschafft, wenn die Stadt gerettet wird. Allerdings werden die Thematiken leider nur gestreift und gehen in der actiongeladenen Handlung unter.

„Der Metropolist“ lässt mich trotzdem mit gemischten Emotionen zurück, weil ich hier wieder einmal das Gefühl bekommen habe, dass der Autor oberflächlich über den Anarchismus recherchiert hat und nicht zum Kern der Sache vorgedrungen, sondern seiner instinktiven Ablehnung des Bildes von „anarchistischen Bombenleger:innen“ gefolgt ist.

Einerseits scheint er begriffen zu haben, dass Anarchist:innen der Meinung sind, dass Sozialarbeiter:innen nicht zum Kern des Problems vordringen und das System eher stabilisieren, als den armen Menschen zu helfen, und dass sie die Welt von Grund auf ändern wollen, um eine klassenlose Gesellschaft zu erreichen. Ob die Verbindung mit Esperanto auch einer Recherche entspringt oder Zufall ist, sei dahingestellt.

Andererseits zeigen die Anarchist:innen in diesem Buch (und ich gehe davon aus, dass sie spezifisch Anarchist:innen sein sollen, weil sie sich auf einen fiktiven anarchistischen Denker beziehen, das Wort im Vergleich mit ihnen fällt und sie, ganz dem Klischee entsprechend, Bomben legen) Merkmale, die sich so gar nicht mit anarchistischen Denkweisen in Einklang bringen lassen: Sie haben einen Anführer und auch sonst kein großes Problem mit Hierarchien, sie hoffen, die Welt durch wahllose Attentate, die vor allem „normale“ Menschen treffen, zu verbessern, und sie glauben von sich, die objektive Wahrheit gefunden zu haben und sie nun allen Anderen aufzwingen zu müssen.

Darauf erstmal ein Zitat von Malatesta, einem angesehenen (Achtung…!) Anarchisten: „Was uns als Anarchisten jedoch auszeichnet und von allen anderen unterscheidet, ist, dass wir uns nicht im Besitz einer absoluten Wahrheit wähnen; wir halten uns für weder unfehlbar noch allwissend.“

Tatsächlich strebt der Anarchismus danach, eine Gesellschaft zu erschaffen, in dem keine Person einer anderen ihre Wahrheit aufzwingen kann, eben weil niemensch die Wahrheit eines Menschen besser kennen kann als er selbst. Dementsprechend genervt war ich davon, dass die Tatsache, dass keine Person die objektive Wahrheit kennt, als OWENs große Erkenntnis dargestellt wird und nicht als etwas, das eignetlich aus den Prinzipien des Anarchismus folgen sollte.

Unterhalten hat mich das Buch aber auf jeden Fall und das Schicksal der Charaktere ging mir auch nahe. Es wäre nur schade, wenn es die Vorteile, die viele Menschen über den Anarchismus haben, verfestigt,