Der Krake von China Miéville
Was anfängt wie ein halbwegs normaler Kriminalroman – Es beginnt mit dem Diebstahl eines riesigen Tanks samt präpariertem Krake aus einem Museum – entpuppt sich schnell als eine verrückte Reise in ein London, das mit dem unserer Welt nur noch oberflächlich etwas zu tun hat.
Nach und nach verstrickt sich Billy Harrow, der Präparator des Kraken, in die Intrigen dieser magischen Welt, und obwohl er anfangs noch heillos überfordert ist, wird ihm und dem Leser langsam immer mehr über die Mechanismen Londons und die Gestalten, die sich darin tummeln, klar.
In dieser Welt liegt eine klare Stärke des Buches, denn was für einen anderen Autor das Highlight seines Worldbuildings gewesen wäre, ist hier nur ein Teil des Ganzen, sodass das ganze Buch vor kreativen Einfällen, die in seiner eigenen Logik Sinn ergeben, praktisch überquillt.
Nicht nur Billy wird von Erkenntnis zu Erkenntnis gehetzt, zahlreiche Verfolger ständig auf seinen Fersen, auch dem Leser wird keine Zeit gelassen, sich zu entspannen, dafür gibt es zu viele Plottwists, die in sich perfekt in das aufgebaute Gefüge eingliedern und dafür sorgen, dass die Spannung niemals abfällt.
Auch die Handlung an sich konnte mich überzeugen, denn sie ist genauso einzigartig wie das Setting und denkt nicht einmal daran, sich an Konventionen und bereits hunderte Male gelesene Schemata zu halten, sondern überrascht einen immer wieder aufs Neue.
Positiv aufgefallen sind mir auch die Nebencharaktere. Vom polizeilichen Berater Vardy, der seinem durch wissenschaftliche Erkenntnis abhanden gekommenen Glauben nachtrauert, über das Tattoo, einen Gangsterboss, der zur Strafe auf die Haut eines Unschuldigen gebannt wurde und diesen nur durch seine Worte unter die Kontrolle gebracht hat, bis hin zu Wati, der einst erschaffen wurde, um einem ägyptischen Adeligen nach dessen Tod zu dienen und nun eine Gewerkschaft für magische Vertraute ins Leben gerufen hat, haben all diese Persönlichkeiten ihren eigenen Charme und werden so schnell nicht in Vergessenheit geraten.
Im Gegensatz zu den anderen Charakteren bleibt der Protagonist wieder einmal etwas blass. Er ist ein vermeintlich unbeteiligter, durch dessen Augen der Leser blickt, um die Geschichte nach und nach zu verstehen, was mich persönlich aber nicht gestört hat, weil es genug Anderes gab, auf das ich mich beim Lesen einlassen konnte.
„Der Krake“ hat es wie kaum ein zweites Buch geschafft, mich von der ersten Seite an in seinen Bann zu ziehen und mich mit seiner regelrecht galoppierenden Story in eine Welt zu entführen, die wie für Miéville typisch ihresgleichen sucht. Definitiv ein neuer Liebling, den ich jedem empfehlen werde, der den Fehler macht, mir kurz zuzuhören.