Juni 21

Der Krake von China Miéville

Was anfängt wie ein halbwegs normaler Kriminalroman – Es beginnt mit dem Diebstahl eines riesigen Tanks samt präpariertem Krake aus einem Museum – entpuppt sich schnell als eine verrückte Reise in ein London, das mit dem unserer Welt nur noch oberflächlich etwas zu tun hat.

Nach und nach verstrickt sich Billy Harrow, der Präparator des Kraken, in die Intrigen dieser magischen Welt, und obwohl er anfangs noch heillos überfordert ist, wird ihm und dem Leser langsam immer mehr über die Mechanismen Londons und die Gestalten, die sich darin tummeln, klar.

In dieser Welt liegt eine klare Stärke des Buches, denn was für einen anderen Autor das Highlight seines Worldbuildings gewesen wäre, ist hier nur ein Teil des Ganzen, sodass das ganze Buch vor kreativen Einfällen, die in seiner eigenen Logik Sinn ergeben, praktisch überquillt.

Nicht nur Billy wird von Erkenntnis zu Erkenntnis gehetzt, zahlreiche Verfolger ständig auf seinen Fersen, auch dem Leser wird keine Zeit gelassen, sich zu entspannen, dafür gibt es zu viele Plottwists, die in sich perfekt in das aufgebaute Gefüge eingliedern und dafür sorgen, dass die Spannung niemals abfällt.

Auch die Handlung an sich konnte mich überzeugen, denn sie ist genauso einzigartig wie das Setting und denkt nicht einmal daran, sich an Konventionen und bereits hunderte Male gelesene Schemata zu halten, sondern überrascht einen immer wieder aufs Neue.

Positiv aufgefallen sind mir auch die Nebencharaktere. Vom polizeilichen Berater Vardy, der seinem durch wissenschaftliche Erkenntnis abhanden gekommenen Glauben nachtrauert, über das Tattoo, einen Gangsterboss, der zur Strafe auf die Haut eines Unschuldigen gebannt wurde und diesen nur durch seine Worte unter die Kontrolle gebracht hat, bis hin zu Wati, der einst erschaffen wurde, um einem ägyptischen Adeligen nach dessen Tod zu dienen und nun eine Gewerkschaft für magische Vertraute ins Leben gerufen hat, haben all diese Persönlichkeiten ihren eigenen Charme und werden so schnell nicht in Vergessenheit geraten.

Im Gegensatz zu den anderen Charakteren bleibt der Protagonist wieder einmal etwas blass. Er ist ein vermeintlich unbeteiligter, durch dessen Augen der Leser blickt, um die Geschichte nach und nach zu verstehen, was mich persönlich aber nicht gestört hat, weil es genug Anderes gab, auf das ich mich beim Lesen einlassen konnte.

„Der Krake“ hat es wie kaum ein zweites Buch geschafft, mich von der ersten Seite an in seinen Bann zu ziehen und mich mit seiner regelrecht galoppierenden Story in eine Welt zu entführen, die wie für Miéville typisch ihresgleichen sucht. Definitiv ein neuer Liebling, den ich jedem empfehlen werde, der den Fehler macht, mir kurz zuzuhören.

Juni 13

Queer Heroes von Arabelle Sicardi

Dieses Buch hält, was es verspricht, und zwar einen kurzen Überblick über Leben und Wirken verschiedener queerer Menschen, wie sie sich einen Namen gemacht und was sie verändert haben.

Darunter finden sich allseits bekannte Persönlichkeiten aus der Geschichte, zum Beispiel Leonardo da Vinci, Frida Kahlo und Freddie Mercury, allerdings auch noch lebende Aktivist*innen wie Emma González, Kasha Nabagesera und Jazz Jennings, sodass nicht nur Kinder und Menschen, die sich mit dem Thema noch nicht auskennen, sondern auch „fortgeschrittenere“ Leser Neues lernen können.

Auffällig ist auch die schöne Aufmachung des Buches, das im Großformat daherkommt, denn zu jeder der dargestellten Personen gibt es ein wunderschönes und aussagekräftiges Portrait neben biografischen Daten und Informationen über die Lebensläufe, den Aktivismus und inwiefern diese Persönlichkeit der LQBTQ+-Community angehört.

Insgesamt hätte ich mir teilweise detailreichere Beschreibungen gewünscht, aber um einen Überblick über verschiedene queere Helden aus allen möglichen Ländern und Epochen zu erhalten, ist es perfekt.

Besonders schön ist auch, dass auf Intersektionalität, also auf die Verbindung von Diskriminierung aufgrund von Sexualität, Geschlecht und Hautfarbe, eingegangen wird, weil diese Themen untrennbar miteinander verbunden sind.

Juni 13

Metro 2033 von Dmitry Glukhovsky

Was einen nicht nur in diesem Band, sondern in der ganzen Metro-Serie sofort in den Bann zieht, ist das Setting: Nach einem Atomkrieg hat es ein kleiner Teil der Bevölkerung von Moskau geschafft, sich in die Eisenbahntunnel zurückzuziehen, wo sie ein hartes Leben führen, das einerseits von den Kreaturen, die in der Dunkelheit der Tunnel hausen, andererseits von den Kriegen der Stationen und Verbände untereinander, bedroht wird.

Das führt zu einer beengenden und bedrohlichen Atmosphäre, in der Protagonist und Leser ständig mit dem Unerwarteten rechnen müssen – Jedenfalls, was die genaue Art der Bedrohung nun angeht.

Obwohl die Charaktere allesamt ziemlich blass sind, beginnt man irgendwann, mitzufiebern und zu hoffen, dass Artjom es schafft, seine Heimatstation vor den „Schwarzen“ zu retten, humanoid anmutende und telepathisch begabte Monster, die keinen ungünstigeren Namen hätten haben können – Ich weiß allerdings nicht, wie sie im Original betitelt wurden.

Insgesamt hat die Story allerdings nur eine einzige, überraschende Wendung aufzubieten, die ganz am Ende enthüllt wird und somit zu spät kommt, um etwas an der Handlung selbst zu ändern.

Sobald man das Buch allerdings aus der Hand legt, fällt einem auf, was man da eigentlich gelesen hat: Eine 800 Seiten starke Geschichte, in der nicht viel mehr passiert, als dass der Protagonist ständig von Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien entführt wird oder sich diesen auf seiner Reise anschließen muss, was praktisch dazu führt, dass er die ganze Zeit über eben jene Ideologien belehrt wird und man als Leser irgendwann das Gefühl bekommt, dass der Autor gar kein unterhaltsames Buch schreiben, sondern seine Sicht auf verschiedene Weltanschauungen darlegen wollte.

Das endet darin, dass der tatsächliche Handlungsablauf – Artjom wird entführt, die Entführer erklären ihm ihre Sicht, er entkommt (oder noch oder noch besser: Er wird von jemandem gerettet, der ihm natürlich wiederum seine Weltsicht erklärt) – extrem repetitiv wirkt und die Spannung erheblich nachlässt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Geschichte zwar unterhält, solange man sie gerade liest, am Ende aber das Gefühl hinterlässt, dass Glukhovsky einfach nur seine Meinung auf eine ziemlich langatmige Art und Weise loswerden wollte.

Juni 5

Schwert & Meister Gesamtausgabe von Florian Clever

Vom ersten Kontakt mit dem magischen Metall Niyn bis zu dem Moment, in dem es genutzt wird, um den finsteren Gott Askeleon zu Fall zu bringen, wird über sechs Bände die Geschichte von Glen, dem Sohn des Hüttenmeisters, mit seinem magischen Schwert Rage erzählt.

Zuerst sind mir die präzisen, aber fantasievollen Beschreibungen und die natürlichen Dialoge, die schnell dazu führen, dass man sich in die Protagonisten einfühlen kann, aufgefallen.

Da die Saga Glen seit seiner Jugend begleitet, kann man als Leser seine Entwicklung von einem „Bauernlümmel“ bis zum legendären Krieger Phantomklinge beobachten, und vor allem auch, wie ihn der Einfluss des Schwertes verändert.

Und er muss nicht alleine kämpfen, denn ihm zur Seite steht eine Auswahl sympathischer Verbündete, die zwar einige Klischees erfüllen, die man aber aufgrund ihrer Besonderheiten schnell ins Herz schließen kann.

Von Band zu Band steigert sich der Einsatz und damit auch die Spannung, sodass ich jedem empfehlen würde, alle Bände hintereinander durchzulesen.

An einigen Stellen hatte ich das Gefühl, dass Veränderungen zu plötzlich kamen oder nur kurz beschrieben wurden, obwohl sie mich genug interessiert hätten, um mehr darüber erfahren zu wollen, wie zum Beispiel die Gräueltaten, die Glen und Konsorten entgegen ihres Gewissens vollbringen mussten, als sie unter Askeleon dienten, auch wenn es mir ansonsten gefallen hat, dass man sich nicht nur seitenlange Landschaftsbeschreibungen kämpfen musste.

Was diese Reihe für mich von ihren Rivalen abhebt, ist einerseits die Tatsache, dass der Protagonist kein Held aus irgendeiner Prophezeiung ist, sondern selbst zugibt, dass er meistens mehr vom Schwert geführt wird als andersherum, und, dass die Schlachten hier nicht dadurch entschieden werden, wer die größte Armee hat, sondern, wer strategisch überlegen ist. Mehr als einmal retten sich die Protagonisten nur durch eine List aus brenzligen Situationen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jeder, der auf klassische Fantasy steht, hier gut bedient ist. Allerdings werden eben nicht alle Klischees dieses Genres bedient und es gibt einige Überraschungen auch für langzeitige Genrefans.

Juni 5

Zone 84 von Stefan Müller

Was zuerst an den Alltag in der heutigen Zeit erinnert, entwickelt sich für die Protagonisten rasend schnell zu einem totalitären Albtraum, der aus der Sicht zahlreicher, sympathischer Charaktere wiedergegeben wird, die langsam die Puzzlestücke zusammenfügen und immer mehr von der Verschwörung enthüllen, die hinter allem steht.

Anfangs hatte ich ein bisschen die Befürchtung, dass mit dem Protagonisten zu viele Nerd-Klischees erfüllt werden, aber das hat sich schnell gelegt und er wurde zu einem wirklich dreidimensionalen Charakter.

Gerade, weil man sich von Anfang an mit den Helden identifizieren kann und die Strömungen, die zu einem kompletten Überwachungsstaat führen, wenn sie auf die Spitze getrieben werden, auch in der eigenen Gesellschaft erkennt, ist die Geschichte so effektiv und fesselnd.

Zu sehen, wie sich die Schritt für Schritt erlassenen Gesetze auf die Charaktere auswirken und wie sie ihnen die Freiheit nehmen, macht den besonderen Reiz dieses Buches aus, denn es führt den Schritt, den die meisten Bücher überspringen – Den Aufbau des Regimes, das es zu stürzen gilt – realistisch aus.

Den einzigen wirklichen Kritikpunkt, den ich anzumerken habe, ist, dass mir die Verschwörer, die hinter allem stehen, ein bisschen zu „esoterisch“ und mysteriös erscheinen und keine klaren, weltlichen Zwecke verfolgen, wie ich es erwarten würde, wenn sich so eine Organisation in der Realität bildet.

Am Ende bekommt man nicht nur eine spannende Geschichte geliefert, die von der ersten bis zur letzten Seite unterhält und alle Fäden am Ende clever zusammenlaufen lässt, sondern gleichzeitig eine Vorstellung davon, wie schnell eine Gesellschaft wie unsere zusammenbrechen kann.

Juni 5

Frequenz Zero – Das Simulator Portal von M. Kuiper

Kurzmeinung: Eine interessante Reise in ein anderes Multiversum mit sprachlichen Schwächen

Da ich den ersten Teil der Reihe bisher nicht gelesen habe, kann ich nicht sagen, inwiefern sich dieser davon abhebt und werde diesen deshalb als Einzelwerk betrachten.

Die einzigartige Handlung, die sich stark vom Standard des Genres abhebt, hat mich schnell in den Bann gezogen und mich motiviert, weiterzulesen, um zu erfahren, wie sie ausgeht – Umso fieser der Cliffhanger am Ende, der mich weiter um das Schicksal der Helden bangen lässt.

Außerdem hat mich die Kreativität fasziniert, mit der die Planeten und vor allem ihre Bewohner, die nicht wie in viele anderen Geschichten praktisch nur Menschen mit leichten Abänderungen sind, gestaltet worden sind.

Allerdings muss ich zugeben, dass der Schreibstil selbst meinen Geschmack ganz und gar nicht getroffen hat, was vor allem an den Beschreibungen der Unterdrückung der Bewohner dieses Multiversums lag, die meiner Meinung nach häufig zu „stumpf“ waren und mir als Leser nicht selbst erlaubt haben, mir ein Bild von der schrecklichen Lage zu machen, sondern mir stattdessen immer wieder direkt erzählt haben, wie schlimm es dort gerade ist.

Außerdem gab es einige Dialoge, die für meinen Geschmack ein bisschen zu offensichtlich darauf abzielten, dem Leser Informationen zu vermitteln, was sie etwas unnatürlich hat erscheinen lassen.

Dazu kommt, dass den Figuren zu wenig Zeit gelassen wurde, die Beziehungen untereinander wirklich auszubauen, denn es erschien mir etwas unlogisch, dass sich gewisse Charaktere praktisch innerhalb von Sekunden unsterblich ineinander verlieben und diesem Gefühl fast alles andere unterordnen.

Wer allerdings darüber hinwegsehen kann (Oder meinen Geschmack diesbezüglich einfach nicht teilt), wird hier eine Welt vorfinden, die mit äußerster Liebe zum Detail und mit kreativen Einfällen gestaltet wurde, von denen sich andere Autoren gerne eine Scheibe abschneiden können.